EIN KLEINER SCHAUPLATZ GROSSER
MENSCHLICHER IMAGINATIONEN

Mit einer Sammlung von tausenden Kleinplastiken, Kultgegenständen, Insignien, Amuletten und frühen Werkzeugen aus fünf Kontinenten bietet das MUSEUM HUMANUM der Sammlung Peter Coreth im Gutshof von Fratres die Chance zur außergewöhnlichen Begegnung mit bedeutungsvermittelnden Kulturzeugnissen.
Tierbild – Götterbild – Menschenbild lautet der Leitfaden dieser Dauerausstellung, die sich von starren musealen Gefügen abhebt und neue Vermittlungswege beschreitet. Hier repräsentieren die Exponate nicht, wie üblich, die Kulturkreise, denen sie entstammen, sondern werden in gewagter, aber schlüssiger Anordnung als Beispiele zur Evolution der Kunst vor Augen geführt. Nach Motiven und rituellen Zusammenhängen präsentiert, fordern sie zu direktem Vergleich heraus.
In den Arkaden der Säulenhalle erlebt und begreift man den über 30.000 Jahre gespannten Bogen künstlerischer Entfaltung – von der magischen Vorstellungswelt der Steinzeitjäger und rezenten Naturvölker, über die von Mythen und Religionen geprägten Kulturphasen, bis zur Kunst des anthropozentrischen Zeitalters – als eine Transformation von Weltbildern.
Eine spannungsreiche Gegenüberstellung, die das Interesse für das Fremde, Andersartige zu wecken versteht und den Blick auf das Gemeinsame, Verbindende lenkt. Ein anthropologisches Capriccio, das uns auch mit den Grundfragen unseres Lebens konfrontiert.

Ist ein 28-Seelen-Dorf in der fast menschenleeren Landschaft des nördlichen Waldviertels ein geeigneter Standort für ein anthropologisches Museum? So fragte man mich vor Jahren, als ich um Förderung für ein utopisches Projekt einkam, und riet mir, doch lieber ein Gasthaus zu eröffnen. - Dann entstand sie doch, die Kulturbrücke, und mit ihr das Museum Humanum im Grenzort Fratres. Die Lage an der Nahtstelle unterschiedlicher Sprachen und Denkweisen hat sich von Anfang an als vorteilhaft erwiesen. Wo politischer und historischer Konfliktstoff die neue Nachbarschaft von Tschechen und Österreichern immer wieder trübt, kann die universelle Sprache der Kunst auf einer höheren Bedeutungsebene vermitteln ..."
Peter Coreth in OKNO (Fenster), 2004
AUSZEICHNUNGEN:
2004: Staatspreis (Kulturbrücke)
2004: Comenius-Medaille
2007: Kulturpreis des Landes NÖ
2009: Österreichischer Bundesmuseumspreis
2010: Prix Jeanne de Ferrette
2010: Nominierung für den Innovationspreis NÖ
2016: Österreichisches Museumsgütesiegel
DIE SAMMLUNG CORETH
Die anthropologische Studiensammlung von Dr. Peter Coreth ist das Resultat einer persönlichen, seit den 1960er-Jahren bis heute mit Enthusiasmus betriebenen Sammeltätigkeit. Für deren Präsentation im 1997 eröffneten Museum Humanum hat der Sammler ein neuartiges Konzept entwickelt, das die damals üblichen geografischen und zeitlichen Einteilungen verwirft und einen transkulturellen Vergleich nach Themen und rituellen Zusammenhängen ermöglicht. Die Gemeinsamkeiten in der Motivik und Formensprache der Kulturen rückten ins Blickfeld.
Seither haben Staatsleute, Kardinäle, Wissenschafter, Nobelpreisträger, Oskar-Gewinner und namhafte Künstler aller Sparten das Museum Humanum besucht, das auch als thematischer Bezugsrahmen für eine auf Zukunftsfragen ausgerichtete Kulturarbeit dient: In mehr als hundert Veranstaltungen der Kulturbrücke Fratres wurden Antworten auf elementare Fragen zu Mensch, Kunst und Gesellschaft mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erarbeitet.
Ihre Beiträge sind in den Büchern "Eine Brücke über die Welten - Das Experiment von Fratres" sowie "Weltbilder im Spiegel der Kunst - Die Sammlung Peter Coreth" dokumentiert und unterstreichen den offenen ,Werkstatt-Charakter‘ eines Museums, das neue Wege geht.

Die Sammlung
Hier ist ein kleiner Überblick über die 5 Arkaden.

1. Arkade: ÜBERLEBEN
Die erste Arkade thematisiert die Versuche des präzivilisatorischen Menschen, auf seine unwirtliche, feindliche Umwelt einzuwirken: Wo technische Mittel nicht ausreichen, dient die Magie als Verstärkung. Sie soll Fruchtbarkeit, Jagdglück, Geisterabwehr, Traumbewältigung und Ähnliches sicherstellen. Etliche Beispiele fokussieren das bäuerliche Universum, das mit der ,Neolithischen Revolution‘ entstand und nach zehntausendjähriger Kontinuität heute weltweit untergeht. Der Formenkreis dieser Bauernkulturen ist wegen seiner Vielschichtigkeit äußerst ergiebig. Die Sammlung präsentiert archaische Objekte neben solchen rezenter Naturvölker.
2. Arkade: GÖTTERWELTEN
Die zweite Arkade führt Grundmuster religiöser Orientierung vor. Skizziert wird die mythische Matrix früher Hochkulturen und großer Glaubenssysteme: Götterbilder unterschiedlicher Herkunft sind in Beziehung zueinander gesetzt und offenbaren phänomenale Analogien und ikonografische Zusammenhänge. Ein Schwerpunkt ist dem Bildnis des Buddha als wichtigem Durchbruch zum Menschenbild gewidmet. Wenn die Beispiele aus dem buddhistischen Formenkreis überwiegen, hat dies noch einen zweiten Grund: die Bedeutung seiner Repertoires für die Kunstentwicklung Asiens und Europas. Eine weitere Akzentuierung gilt dem Tierbild als Bedeutungsträger in Mythos und Religion.
3. Arkade: BEDEUTUNGSTRANSFER
Die dritte Arkade rückt die sinnstiftenden Botschaften religiöser Kunst ins Blickfeld und zeigt, auf welchen Ebenen der Bedeutungstransfer erfolgt: Schrift, Gleichnis, sakrale Performance lauten nur einige Stichworte. Das alte magische Element erscheint hier bereits theologisch überbaut, dogmatisiert und in Mystik verwandelt. Die ,Natursichtigkeit‘ ist verschwunden, deswegen muss veranschaulicht und gelehrt werden. Die Exponate entstammen liturgischen Zusammenhängen oder dienen der Glaubensverbreitung. Auch Nebenfiguren wie Adoranten, Mönche, Bodhisattvas, Usebtis treten ins Bild und machen die Enttabuisierung der Menschendarstellung bewusst. Den Fokus bilden zoomorphe Ritualgefäße, von denen manche bereits eine aufgeklärte Auffassung verraten und den Siegeszug der dekorativen Künste ankündigen.
4. Arkade: MACHT UND ABWEHR
Die vierte Arkade thematisiert den Machtanspruch als religiöse und weltliche Anmaßung. Eroberung und Feindabwehr als kollektive oder individuelle Anstrengung haben neben roher Gewalt auch eine spirituelle Komponente. Ferner wird gezeigt, wie sich Eliten zur Legitimation ihrer Herrschaft religiöser Symbole bedienen und welche Umformungen die künstlerischen Codes dadurch erfahren. Im Spannungsfeld zwischen Abwehr und Repräsentation befindet sich auch der Schwerpunkt Amulett- und Schmuckwesen, wobei die Gewichtung zugunsten von islamischem Volks- und Nomadenschmuck in dessen apotropäischem Charakter begründet liegt.
5. Arkade: ANTHROPOZENTRIK
Die fünfte Arkade verdeutlicht die tiefgreifende Profanisierung, die seit Beginn der Anthropozentrik unsere Lebenswelt und damit auch die Formensprache der Kunst erfasst hat. Die großen Bedeutungsgefüge geraten unter rationalen Erklärungszwang und bröckeln, während ihre künstlerischen Chiffren die allgemeine Verbindlichkeit einbüßen. Künstler mutieren von abhängigen Dienern der Idee zu Selbstdarstellern. Mythologische Stoffe werden frei gestaltet, traditionelle Bildmotive dekonstruiert, göttliche Posen für das Menschenbild adaptiert. Das Tierbild verblasst in seiner Bedeutung und findet in Kunstgewerbe und Kitsch ein neues Genre. Das Kunstwerk wandelt sich zum selbstständigen Bedeutungsträger und verliert dabei oft an Lesbarkeit und stilbildender Kraft. Der Markt wird zum Parameter der Kunstproduktion.